Die Zeit der Konsumenten

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Gegenüber dem ‚Manager Magazin‘ wettert der Vorstandsvorsitzender des deutschen Medienunternehmens Axel Springer AG, Mathias Döpfner, munter weiter gegen seine Leser. Stichworte wie ‚Kostenloskultur‘ und ‚Schmarotzertum‘ mischen sich mit Beleidigungen wie ‚verirrten Web-Kommunisten‘ oder Open-Access-Evangelisten‘. In seiner abstrusen üblen Nachrede gegenüber dem Netz, seinen (zahlenden) Konsumenten, Google und überhaupt dem ganzen Journalismus, ist es ihm nicht zu dumm auch sich selbst als inkompetent nach Außen zu geben:

Es kann nicht sein, dass die dummen Old-Economy-Guys für viel Geld wertvolle Inhalte erstellen und die smarten New-Technology-Guys sie einfach stehlen und bei ihren Werbekunden vermarkten.

In seiner Position, als Kapitän eines der größten Verlagshäuser, sinkt meine Hoffnung auf einen Kurswechsel. Ein Untergang wäre zweifelsfrei sehr bedauernswert. Sowohl für die Presse(-landschaft), wie auch seine Funktion als Kontrollorgan. Aber vielleicht muss auch erst einmal ein großer Medientanker sinken, damit die Flotte auf die Windrichtung schaut.

Anzuschauen gilt es ebenfalls die 300 Negativbewertungen, welche die Axel Springer-Anwendung ‚Bild‘ innerhalb von acht Tagen im App Store erzielte. Die Applikation beschreitet damit nicht nur einen Bewertungs-Negativrekord, sondern auch den ersten Platz in den Hitlisten der iPhone-Programme. Bizarr.

Ob wirklich jedem Käufer bewusst ist, dass nach einem Monat ‚Zeitungslesen‘ für 79 Cent die Anwendung keine neuen ‚Inhalte‘ ohne zusätzliche Abonnentengebühr mehr ausliefert? Im Januar wissen wir mehr.

Die Kommentare zu lesen, ist vielleicht generell keine schlechte Idee. Als das Hamburger Abendblatt (ebenfalls vom Axel Springer Verlag) seinen Online-Lokalteil auf ein Bezahlmodell umstellte, sammelten sich in den letzten zwei Tagen 485 Kommentare an, die sich nicht damit zufriedengeben Zeit und Geld einer uneinsichtigen Branche hinterherzuwerfen. Besonders dann, wenn sie dem wertvollsten Gut – ihrer Leserschaft – des ‚grotesken Freibierkonsums‘ bezichtigt.

Eine schöne Antwort, sowohl auf Döpfner-Dampfplauderei als auch Matthias Iken’s Abendblatt-Ausführungen, hat Christian Stöcker für den Spielgel verfasst (Springer-Chef schimpft auf „Web-Kommunisten“). Und ‚Die Zeit‘ rollt auf, wie (Lokal-)Journalismus dieser Tage in der Praxis aussieht (Deutschland, entblättert). Beides sehr lesenswert.

Die Aufwendung ihrer ‚Lebenszeit‘, die Leser bereit sind zu investieren, würde ich gerne an einem App Store-Beispiel aufgreifen. Bei der $4-Anwendung vom ‚The Guardian‘ (ausschließlich im US-Store) schlug ich am Dienstag sofort zu. Eine breite Aufstellung an Informationsquellen kann nie schaden…

Von der Erstellung eines iTunes US-Accounts und der Befütterung mit Geld einmal ganz abgesehen, startete die Anwendung nicht auf meinem iPhone 3GS. Der erste Blick fiel auf den Jailbreak, der kürzlich schon anderen Anwendungen in die Suppe spuckte. In mühevoller Kleinarbeit habe ich die einzelnen (inoffiziellen) Systemerweiterungen herausgeworfen. Ohne Erfolg. Mehrfaches Löschen und die Neuinstallation über iTunes haben ebenfalls nicht geholfen. Das Programm offenbarte weiterhin nur einen kurzen Blick aufs Logo, bevor es sich ohne Fehlermeldung beendete.

Eine komplette Wiederherstellung des iPhones war es mir wert, die Anwendung zum Laufen zu bringen. Und mittlerweile weiß jeder iPhone-Besitzer mit mehr als 10 Anwendungen, welche Zeitressourcen dafür fällig werden.

Doch auch das, half nicht. Aus Verzweiflung schob ich die Anwendung auf vier (!) andere Geräte, die sich über die letzten Jahre hier angesammelt haben, und nicht mehr gehen wollen. Zum kompletten Unverständnis, startet auf nur einem der Testgeräte die besagte Anwendung. Im Netz waren keine derartigen Probleme dokumentiert.

Jedoch hätte auch hier ein Blick in die App Store-Beschreibung geholfen, in der als Notiz vermerkt wurde: „This app currently supports UK, US & Ireland region formats only.“

Richtig gelesen. Das ‚regionale Format‘ der Landeseinstellungen (beispielsweise für Zahlen und Datum) ist umzustellen, damit die Anwendung (problemfrei) startet. Warum? Keine Ahnung, aber es handelt sich bestimmt um einen Fehler des Konsumenten, der in einem ihm nicht zugewiesenen Download-Geschäft einkauft und seine Telefonnummern trotzdem weiterhin mit +49 formatiert wissen möchte…

Soviel zum Thema Zeit, das ein Konsument für Qualität bereit ist, zu investieren.