Nintendo demonstriert Handheld-Stärke

Eigentlich hatte ich nicht geplant, dass Nintendo 3DS-Event, auf dem ich mich am gestrigen Mittwoch in Amsterdam rumdrückte, hier gesondert abzufeiern. Auch im Anschluss der ‚Ankündigungen‘ zeigten sich nach einhelliger Meinung der anwesenden Journalisten nur wenig Gründe, die schon bekannten Meldungen noch einmal durchzukauen.

Nach einer Mütze Schlaf und vielen vorangegangenen (Branchen-)Gesprächen skizzierte sich jedoch ein ziemlich klares Gegenwarts(ab-)bild der Videospiel-Industrie im Handheld-Markt. Mit Apples zunehmender Beteiligung durch die unzähligen App-Store-Neuerscheinungen sowie dessen Plattform-Ausbau, beispielsweise durch ‚Game Center‘, bedarf es einer Erwähnung.

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Nintendo is back“ könnte man nach den ersten ausführlicheren Eindrücken, unter Rückbesinnung flüchtigen Erst-Impressionen von der letzten Gamescom, titeln. Obwohl klar ist: Nintendo war nie weg! Knapp 140 Millionen verkaufte Nintendo DS-Geräte stellen dies ohne Einschränkung klar.

Doch das, was am 25. März für geschätzte 250 Euro (Affiliate-Link) im deutschen Einzelhandel stehen wird, wurde durch, die für Nintendo-Verhältnisse riesige PR-Veranstaltung, am vergangenen Tag noch einmal kräftig mit Signifikanz unterstrichen. Innerhalb der Release-Phase von drei Monaten sollen 25 hochkarätige Starttitel erscheinen. Die Liste reicht von Zelda über Kid Icarus bis Super Street Fighter IV und Resident Evil: The Mercenaries. Spielbar lagen außerdem Konamis Pro Evolution Soccer 2011, Team Ninjas Dead or Alive Dimensions sowie Nintendos PilotWings Resort oder Paper Mario vor. Sollten diese Kracher wirklich alle in der vierteljährlichen Startperiode erscheinen, so wie dies angekündigt ist, wäre das nach meiner Erinnerung eines der stärksten Software-Line-Ups der vergangenen Dekade. Mindestens.

Direkt3DS

Der Big-N-Handschmeichler kommt gegenüber seinem Vorgänger in einem identischen Gehäuse-Design. Das wirkt sich sicherlich kostensparend auf die Produktions-Strassen aus, ist jedoch mit vier (!) deckungsgleichen angelehnten Gehäuseformen seit 2004 durchaus bemerkenswert. Trotzdem wird Nintendo gerade zum Verkaufsbeginn keine exorbitanten Margen wie beispielsweise der Wii einstreichen können.

Die Gyroskop-Unterstützung und die zwei Kameras für Augmented-Reality-Spiele sind eindeutig dem Ideen-Pool der aktuellen Smartphones entnommen. Die größte Neuerung ist natürlich der 3D-Bildschirm, der auch ohne klobige Brille funktioniert. Der Effekt lässt sich (logischerweise) nicht abbilden und nur sehr schwierig beschreiben. Entgegen Kinofilmen, die ein Action-Feuerwerk in die dritte Dimension abfeuern, greift man hier Spielen ‚lediglich‘ unter die Arme. Die 3D-Optik wirkt nicht unnatürlich aufgeschraubt oder spielt sich selbstverliebt in den Vordergrund. Sie liefert eher das letzte Quentchen optische Freiheit, von dem man persönlich noch nicht wusste, es vermisst zu haben.

Ein Schieberegler stellt die Intensität des Bühnenzaubers ein. Nach individueller Vorliebe fällt diese sehr unterschiedlich aus. Doch wer einmal die richtige Halteposition gefunden und seine Augen an den visuellen Kniff gewöhnt hat, hebt die Gucker nur noch ungern. Animal Crossing strotz mit Spaziergängen durch plastische 3D-Wälder; die explodierenden Raumschiffsteile aus Star Fox 64 schleudert es euch über den 3.53-Zoll-Bildschirm entgegen und Zeldas Ausflug in den Deku-Baum stellt bereits altbekannte Spielwelten in ein neues Licht.

Das alles klappt jedoch nicht, wenn man ’nur‘ jemandem über die Schulter schaut. Ausprobieren ist Pflicht.

Ein bisschen ’seltsam‘ mutete der StreetPass an, bei dem der Nintendo 3DS sich eigenständig in WiFi-Hotspots einwählt (Partnerschaften mit lokalen Anbietern werden verhandelt) und darüber Nachrichten und Updates bezieht. Das Gerät sucht, trotz Standby-Mode jedoch auch nach anderen 3DS-Geräten und sendet Mii-Freundschaftsanfragen beziehungsweise schaut nach (Street Fighter-)Herausforderungen oder konkurrierenden Spielständen. Insbesondere hier wird die nicht näher eingegrenzte Akkulaufzeit ein noch zu überprüfender Faktor. Wenn es jedoch technisch funktioniert, wie es derzeit angepriesen wird, könnte ich mir eine solche Erweiterungen auch gut für das iOS-System vorstellen.

DirektPSP

Diese kurzen Ausführungen sollen sich alles andere als in schwindelerregende 3DS-Testlauf-Höhen emporschwingen. Lediglich meine erste (unverkennbare) Begeisterung musste in ein paar Sätze geschnürt werden. Insbesondere auch deshalb, weil das 3DS zeigt, wie schwerwiegend Sonys PSP mittlerweile um Atem ringt.

Auch ein PSP-Telefon mit Android-Betriebssystem, das mittlerweile aus allen dunklen Ecken des Internets hervorkriecht, wird kurzfristig daran nichts ändern. Wer erinnert sich noch an das Nokia N-Gage? Genau!

Das Gerät des finnischen Herstellers scheiterte (auch) daran, dass es mit ein paar Monaten auf der Lebensuhr niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockte. Ein PSP-Fernsprecher mit der aktuellen Android-Version würde sich heute sicherlich gut verkaufen, aber wie hoch ist die Begeisterung, wenn es im Herbst gegen ein iPhone 5 oder ein WebOS-Tablet antreten muss? Das Telefon mit dezidiertem Slider, der einen Joystick verbirgt und gleichzeitig als Spielekonsole Anklang finden möchte, muss regelmäßige Hardware-Updates durchlaufen um beide Begehrlichkeiten abzudecken.

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Und iOS? Große Franchises, wie beispielsweise Flight Control von Firemint, halten erste Wegweiser in die Luft, wohin die Reise gehen könnte. Angekommen ist man dort jedoch noch lange nicht. Inwieweit Patentanträgen Glaube geschenkt werden darf, die einem zukünftigen iPhone-Bildschirm diese 3D-Technologie ohne Brille zuschreiben, muss man abwarten.

Unumgänglich bleibt für mich weiterhin eine Art ‚Premium‘-Kategorie für Spiele um großen Publishern wässrige Mundwinkel zu bereiten.

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Ohne überhaupt mit nur einem einzigen Wort auf die anstehenden Tablets eingegangen zu sein, würde es mich nicht wundern, im nächsten Januar einen komplett umgekrempelten Handheld-Markt vorzufinden, der die vergangenen Monate als verspieltes Vorgeplänkel aussehen lässt.