Fünf iPad-Tage

Vor etwas über einer Woche ist in den USA das iPad erschienen. Seit fünf Tagen ist es auch in mein Leben getreten. Zeit, ein paar erste Fragen aufzuwerfen.

Hat das neue Technikspielzeug meinen Arbeitsalltag am Computer verändert? . Hat es meinen Umgang mit elektronischen Medien revolutioniert? Noch nicht. Ist mein Leben durch das iPad signifikant besser geworden? Ich hoffe nicht! Benutze ich es trotzdem täglich? Na klar!

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Das iPad ist kein Laptop und kein Telefon. Für die einen ist es damit der „neue heiße Scheiß“, für die anderen schlicht und ergreifend „unkaufbar“.

Ich zolle der zweifelsfrei neuen Gerätekategorie Respekt für die Art der ‚Unscheinbarkeit‘, mit der sich die handliche Flunder in meinen Alltagstrott geschummelt hat. Fast eingeschlichen. Plötzlich war die digitale Schiefertafel immer dabei, ohne das ich dies bewusst wahrgenommen habe oder darüber nachdenken musste. Nur ein einziges Mal innerhalb der letzten fünf Tage schrie der Silberrücken aktiv nach Strom und konnte mich nicht mit auf den Weg nach „Draußen“ begleiten. Und schon wurde er auf Anhieb vermisst.

Ein Produkt, das so unauffällig Fuß fasst, kann nur den Weg in die richtige Richtung beschreiten.

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Unscheinbar? Unauffällig? Es geht immer noch um das Apple iPad, oder?

Wer sich ein bisschen technikaffin im Netz in den letzten Wochen bewegte, wird sich bei dem dreimonatigen Medienhype sicherlich mit solchen Beschreibungen an den Kopf fassen. Aber sind wir doch einmal ehrlich zu uns selbst: In wie vielen Familien hat das iPhone erst innerhalb des letzten Jahres Einzug erhalten? In den letzten Monaten? Oder ist es vielleicht noch überhaupt nicht angekommen?

Ein schönes Produkt-Barometer für die Beliebtheit einer Technik geben mir immer diejenigen Leute, von denen ich nie im Leben erwartet hätte, das Sie sich für etwas Dergleichen interessieren. Der passionierte Mac-Hasser aus der Berufsschule. Der 60-jährige Onkel ohne Computerkenntnisse. Genau diejenige Verwandtschaft, die einen Windows 2000-Rechner in den heimischen vier Wänden seinen Lebensabend genießen lässt, und sich auf der Familienfeier nach den aktuellen T-Mobile-Tarifen erkundigt.

In kurzen Gesprächen bildet sich dann heraus, das der Mehrwert, die Erreichbarkeit und dessen Qualität von einem einzigen Produkt mittlerweile so wertvoll geworden ist, dass man sich sogar „das Unfassbare“ überlegt: einen „Anbieterwechsel vom Mobilfunkbetreiber“.

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iPhone und iPad teilen sich das identische Betriebssystem und bedienen trotzdem zwei komplett unterschiedliche Produktkategorien. Wirklich angekommen ist dies selbst in der technikfreundlichen Zielgruppe noch überhaupt nicht. „It is like a big iPod touch“ lädt zum Schmunzeln ein, weil es schlicht und ergreifend an stimmigen Beschreibungen mangelt. Menschen brauchen Vergleichbarkeit, Wiederkennung sowie Identifizierbarkeit und genau das liefert ein iPad zum derzeitigen Stand nicht.

Beim iPhone war es einfacher. Es ist ein Telefon! Darunter konnte sich jeder etwas vorstellen. Mit diesem Werbespruch wird es noch heute verkauft. So lässt sich die finanzielle Anschaffung rechtfertigen. Vor einem selbst, genau wie vor anderen. Klar, ein Telefon braucht jeder. Das macht Sinn. Und wenn noch Zweifel bestehen wird der Satz „mein Vertrag läuft eh bald aus…“ nachgeschoben.

Das iPad präsentiert diesen einheitlichen, nachvollziehbaren Grund nicht. Es handelt sich vielmehr um den Plural „Gründe“, mit dem individuell argumentiert werden muss. Ich mache mit dem Gerät etwas komplett anderes, als vielleicht du? Das kann manchmal nicht plausibel sein. Und alles was uneindeutig oder mehrdeutig ausgelegt wird, stößt bei Menschen prinzipiell auf Skepsis.

Zusätzlich ringen Menschen gerne um Vergleiche. „Okay, es ist kein Telefon, dann muss es ein Notebook sein!“ Kategorien dazwischen sind unbekannt und werden deshalb nicht in Betracht gezogen. „Aber ein Notebook kann doch viel mehr, hat eine richtige Tastatur, einen größeren Bildschirm und mehr Leistung?“

Auf jeden Fall! Die ‚Begutachtung‘ schließt jedoch gerne Diskussionspunkte aus, die nicht auf einer Skale zu bewerten sind. „Internet habe ich auch am Computer und Bilder und PDFs kann ich auch dort anschauen“.

Klar. Manchmal kommt es jedoch nicht auf das „Was“, sondern das „Wie“ an…

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Das iPad stößt die Tür zu einer neuen Produktkategorie auf. Es öffnet die Büchse der Computer-Pandora, vor der sich so viele Hersteller zu fürchten scheinen. Asus, Acer, Microsoft? Wo wart ihr die letzten Jahre?

Es fällt mir schwer sich vorzustellen, dass eine einzige Firma die Symbiose von Soft- und Hardware so gelungen kombinieren kann, wie niemand anderes. Apple genießt zwar ein wahnsinniges Momentum, aber das keiner die Technik oder den Mumm in den Knochen hatte, solch einen waghalsigen (Produkt-)Schritt zu gehen, klingt undenkbar.

Die Wechselwirkung in technischer Innovation wirkt natürlich immer gegenseitig. Trotzdem bleibt es beeindruckend, wie viele Smartphones die Produktmutation weg vom Stylus und der Hardware-Tastatur machen, und jetzt mit Fingersteuerung und einem digitalen Store für Anwendungen bereitstehen…

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„Soll ich ein iPad kaufen?“

Eine Frage, die man sich selbst oder anderen sicherlich nicht zum ersten Mal stellt. Man könnte darauf antworten: „Soll ich mir einen aufgeschäumten Milchkaffee im Café nebenan gönnen, oder die heimische Koffeinschleuder anwerfen?“ – es kommt auf die Anlässe und eigenen Ansprüche an, die man an sein Koffein stellt. Schnell, wirkungsvoll und günstig oder ungezwungen, locker und vielleicht kostspieliger?

Weder die eine noch die andere Auswahl ist zu bevorzugen. Kombination siegt. Das iPad tritt für mich nicht dazu an den Laptop zu ersetzten, sondern ihn zu ergänzen. Und zwar in Punkten, in denen er Schwächen hat. Ich habe innerhalb der ersten fünf Tage unzählige Comics gelesen, die auf dem Laptop bereits Staub ansetzten. Meine Instapaper-Leseliste, die über Wochen einen Artikelstau erzeugte, ist innerhalb weniger Stunden abgearbeitet. Und obwohl ich am iPad auch E-Mails sortiere, (Blog-)Texte verfasse und über VNC auf anderen Computern arbeite, ein Plants vs Zombies platziert sich auf meinem Homescreen direkt neben der Wikipedia-App und der To-Do-Liste.

Wer möchte im Jahr 2010 den Unterschied zwischen Arbeiten und Entertainment wirklich noch aufdröseln?

Ich selbst bin noch in einer Zeit aufgewachsen, da ist man ‚ausschließlich‘ zum Arbeiten an den Computer gegangen. Heute sind die Bedürfnisse für die Pflege von sozialen Netzwerken, Internet-Auktionen und kreativen Schöpfungen fließend. Meine persönliche Frage, die ich daher nach fünf ersten Tagen aufwerfe ist nicht das „Was kann ich mit einem iPad machen?“ sondern „Wie kann ich bestimmte Tätigkeiten mit einem iPad verbessern?“.

Ich bin mir jedoch schon jetzt sicher, dass dies nicht die letzte der offenen Fragen bleiben wird.