M! Games-Kolumne / Oktober 2010

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Nachgezählt

Pünktlich zur vorweihnachtlichen Spielesaison veranstaltete Apple sein alljährliches Musik-Event. Dabei steht gewöhnlich das iPod-Line-up im Rampenlicht. Das war auch in diesem Jahr nicht anders. Ebenfalls aus dem Vorjahr bekannt: Die Apple-Chefetage läutet mit bissigen Worten die Neuauflage des iPod touch ein. 2009 versprachen die Konkurrenten DS und PSP laut ihrem iOS-Nebenbuhler “not a lot of fun”. Diesmal fischte man aus der Argumentations-Wundertüte wenigstens ein paar Zahlen: Wörtlich kündigte Steve Jobs die Frischzellenkur des “iPhone ohne Telefon” als “Number 1 Portable Game Player” an. Apples flache Medien-Flunder soll weltweit mehr Verkäufe auf die Beine stellen, als die mobilen Handhelds von Nintendo und Sony zusammen. Eine gewagte Ansage, die sich als schlichte Lüge herausstellt. Die Nintendo-Geschichte zählt weit über 100 Millionen verkaufter DS. Die PSP von Sony überschritt im Frühling 2009 die Marke von 50 Millionen Spielapparaten. Schon hier hinkt der Vergleich zu den 120 Millionen iOS-Computern, die sich in iPad, iPhone und iPod touch aufspalten. Da der IT-Fabrikant aus Kalifornien es für sein provozierendes Statement jedoch nicht als nötig erachtet, die ‚Touch’-Umsätze gesondert aufzuschlüsseln, bleiben lediglich Schätzungen. Realistisch ist von 45 Millionen Einheiten – zirka einem Drittel vom gesamten Zahlenkuchen – auszugehen. Und auch die aktuellen Quartalserträge der einzelnen Hersteller sind weit davon entfernt, einen eindeutigen Sieger zu küren. 9.4 Millionen iPods aller Modelle (!) verzeichnen die Apple-Geschäftsbücher in den letzten vier Monaten. Nintendo sammelte Kassenzettel von 3.15 Millionen Geräten ein, während Sony 1.2 Millionen Handschmeichler verbuchte. Der iPod touch müsste 50 Prozent der eigenen Musikspieler-Familie beisteuern, um knapp über den proklamierten DS- und PSP-Zahlen zu liegen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht.

Pixel-Pep statt Flower Power

Die Zahlenspiele sind eh überflüssig: Die schlanke Multi-Touch-Maschine mit zwei Kameras, Retina-Bildschirmauflösung und bis zu 64 GB-Speicher überzeugt auf ganzer Linie. Für mich ohne Frage: Der neue iPod touch katapultiert die iOS-Plattform in den nächsten zwölf Monaten auf einen fortwährend erfolgreichen Kurs. Das Präsentations-Highlight schoss jedoch Shooter-Spezialist Epic Games mit seiner Technikdemo „Epic Citadel“ ab: Ungehinderte Weitsicht, atemberaubende Licht- und Schattendynamik sowie verspielte Textur-Nuancen kitzeln mit Unreal-Engine-3-Kraft am bislang unbekannten Leistungs-Limit dieser Plattform. Der populäre Software-Motor gab bereits Titeln wie „Batman: Arkham Asylum“, „Mass Effect 2“ oder „Borderlands“ die Sporen. Ironisch: Für das Macintosh-Betriebssystem am Desktop konnte Apple nie mehr als eine Handvoll Spiele-Entwickler begeistern. Im mobilen (Entertainment-)Markt biedern sich die Studios an. Es gehört mittlerweile zum guten Ton, mindestens einen iOS-Titel im aktuellen Sortiment auszuweisen. Eine Woche nach der Veranstaltung lockerte Cupertinos Rechtsabteilung die Einschränkungen für die Verwendung von Programmier-Werkzeugen von Drittherstellern. Epic Games erklärte nur wenige Tage später sein „Unreal Development Kit“ als iOS-fähig. Für kostenlose Produkte bleibt die Verwendung des „UDK“ gebührenfrei. Wer Geld mit seiner App-Store-App verdient, zahlt einmal 99 US-Dollar sowie eine Gewinnbeteiligung von 25 Prozent für alle Einnahmen über 5.000 US-Dollar. Zusammen mit der vorgestellten Hardware ist die Kampfansage nicht (mehr) zu überhören. Des kinderleicht enttarnenden Zahlenschwindels hätte es dafür nicht bedurft.

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Für die M! Games, das dienstälteste deutschsprachige Videospiel-Magazin, verfasse ich eine monatliche Kolumne zum Thema iPhone. Die Ausgabe 205 befindet sich ab dem morgigen Freitag am Kiosk. Über Feedback zum aktuellen Artikel würde ich mich sehr freuen.