One Button Travel

“Will you read me a story?”

“Read you a story? What fun would that be? I’ve
got a better idea: let’s tell a story together.”

– Adam Cadre, Photopia (1998)

Das ist der Eröffnungsdialog von Photopia, einem Computerspiel im Genre Interactive Fiction, wahrscheinlich aber besser bekannt in seiner Geschmacksrichtung Text-Adventure. Zork? Infocom? The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy? Klar, oder?

Anstelle von Interaktivität, bei der ihr über Texteingaben einen Charakter durch (Rätsel‑)Geschichten führt, legte Adam Cadre mit seiner Veröffentlichung1 den Fokus auf die eigentliche Erzählung. Er verzichtete fast gänzlich auf spielerische Elemente — keine Puzzle, kaum Kommandos und keine Aufforderungen nach blumigen Umschreibung der Umgebung. Das war damals neu. In seinen Worten war es „the right idea at the right time […] when people were ready for it.

18 Jahre später…

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One Button Travel (universal; 2.99 ) nimmt den Faden der mittlerweile etablierten Idee auf und erzählt im Umfang von rund 55.000 Wörtern eine Zukunftsgeschichte, in der sehr gegenwärtige Probleme die Diskussion beherrschen.

Ihr lest, fragt und dirigiert in Form von Textkästchen nachdem ihr per Push-Mitteilung über neue Ereignisse aufmerksam gemacht wurdet. Ihr verbringt also keine Zeit in der App, sondern wechselt nur auf Einladung – für einen sehr kurzen Moment, für ein Informationshäppchen sozusagen – ins Spiel. Die dort dann drapierten Textpassagen sind in wenigen Sekunden gelesen. Ab und an schickt ihr (vorgegebene) Antworten ab oder wählt aus zwei bis drei (vorformulierten) Nachfragen aus. Das kann dann auch mal eine halbe Minute dauern – länger aber eigentlich nie.

Die Pausen bestimmen maßgebend das Spiel. Liegen keine neuen Nachrichten vor, geht es auch nicht weiter. Die Kommunikationsdynamik kennt ihr: So funktionieren Messenger und Chat-Anwendungen wie beispielsweise WhatsApp. Diese Aufmachung führt – fast vermeidbar – zu einer interessanten Spielgeschwindigkeit. Kurze Pausen – 30 Sekunden vor der Kaffeemaschine, 10 Sekunden im Fahrstuhl – füllt ihr so mit Schnipseln aus der hier erzählten Geschichte.

Ich lese die Story-Stückchen seit ungefähr einer Woche und habe rund zwei Drittel der (wahlweise in englischer oder deutschen Sprache verfassten) Handlung genossen.

Publisher TheCodingMonkeys verspricht noch in diesem Jahr ein App-Update, mit der die Apple Watch vollständig einbezogen wird. Bislang informieren dort nur Push-Benachrichtigungen über neue Nachrichten in der iPhone-App. Die Erzählung in Textblöcken wandert so ans Handgelenk. Das sehr fantastische Lifeline (universal; 0.99 ) hat bereits vorgemacht wie gut dieses Spielprinzip funktionieren kann.

Das besagte Update habe ich noch nicht ausprobiert, bin aber überzeugt das One Button Travel noch besser auf der Uhr funktioniert als am iPhone – in erster Linie weil es bequemer ist.

Und damit schließt sich (irgendwie) ein Kreis. One Button Travel ist als Text-Adventure in einem uralten Genre verankert, das aus den damals begrenzten Möglichkeiten der Computer entstand. Mit vergleichbaren Limitierungen kämpft heute die Uhr. Trotzdem stellt sie den besseren Rahmen für die Story-Stränge, die hier erzählt werden.


  1. Photopia (universal; 0.99 ) hat es selbst erst kürzlich in den App Store geschafft.