Zahlenwirtschaft. Wer lehnt sich am weitesten aus dem Fenster?

Wenn am Monatsende in der Cupertino-Buchhaltung die Akamai-Rechnung für heruntergeladene App Store-Inhalte eintrudelt, dürften nach den neusten Zahlen von insgesamt drei Milliarden Downloads, Überstundenzettel unter den Mitarbeiter sehr gefragt sein. Die Programmaktualisierungen (sprich Updates) spiegeln sich zwar nicht in der werbetauglichen Pressemitteilung wieder, müssen jedoch ebenfalls an das Content Distribution Network gezahlt werden.

Dabei lässt sich die Höhe der anfallenden Gebühren schwer abschätzen. Eine Suchmaschinen-Anwendung wie WolframAlpha (App Store-Link) bietet mit 0.6 MB und einem Verkaufspreis von 39.99 € eine sehr gute Gewinnmarge für Apple. Mit dem 30-prozentigen Anteil lassen sich Kreditkarten-Institute, Datenlieferanten und App Store-Mitarbeiter locker bezahlen. Mit einem Spiel wie ‚Monkey Island‘, das für 5.99 € schwere 355 Megabyte auf die Waage bringt (App Store-Link), wird die Rechnung schon mühsamer.

Kostenlose Anwendungen, wie das beispielsweise heute im deutschen App Store veröffentlichte Amazon-Verkaufsprogramm (App Store-Link), kosten Apple richtig Geld. Mit der Jahrespauschale für Entwickler von zirka 80 € lassen sich nur eine begrenzte Menge von Benutzerdownloads rentable abdecken. Die Einnahmen des Online-Händlers, die er mit einer iPhone-Anwendung umsetzt, fließen natürlich an Cupertino vorbei. Genauso wie Werbeschaltungen, die innerhalb von kostenlosen Anwendungen eingebettet sind. Apple zahlt für die Bereitstellung, die Entwicklerwerkzeuge und mit der entsprechenden iTunes-Präsentation Teile des Vermarktungs-Budgets.

Ohne Frage ist der App Store für Apple trotzdem ein profitables Geschäft. Mit einzuberechnen sind hier beispielsweise die Hardware-Verkäufe durch eine Software-Verkaufsplattform wie dem App Store.

Trotzdem schießen regelmäßig verschiedenste ‚Analysten‘ mit vereinfachten Milchmädchenrechnungen an einer globalen Erfassung des Phänomens vorbei. Gigaom beispielsweise erhielt am gestrigen Mittwoch eine hohe Zahl an Trackbacks auf ihre optisch-opulente ‚App Store Economy‚-Grafik.

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Die Veröffentlichung führte größtenteils zu einem ungefilterten Wiederkäuen durch verschiedenste Klatschblätter Online-Magazine; in den Kommentaren wurden sehr schnell die Korrekturen erarbeitet. Man kann sich sicherlich lange mit den diskussionswürdigen Umsatzzahlen auseinandersetzten. Fakt bleibt, das die Datenquelle Flurry.com (seit Weihnachten im Zusammenschluss mit Pinch Media) lediglich reine Hochrechnungen und Abschätzungen liefern kann.

Solche Aussagen gilt es daher mit mehr Kritik zu beleuchten…

Combined analytics service will run on more than 80% of all consumers’ iPhone, iPod Touch and Android devices

Wie hier schon mehrfach angesprochen, liefern die Statistik- und Werbeframeworks einen interessanten Teilausschnitt das iPhone-Softwaremarktes, können jedoch nicht als Quelle globaler App Store-Zahlen gelten. Wenn dabei beispielsweise Behaupten herausfallen, das ’nur‘ 1/4 der App Store-Programme gekauft wurden, lässt sich kinderleicht die Frage aufwerfen: Welche Art von Programme bedienen sich der Möglichkeit von Reklamelieferanten? Kostenpflichtige Pro-Versionen oder werbefinanzierte Lite-Anwendungen?

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Eine entsprechend wilde Geschichte genießt auch die Zahl vom 24/7 WallSt-Report, der den App Store-Verlust durch ‚Raubkopien‘ mit $450 Millionen Dollar beziffert.

Regel 1: Traue keinem Bericht, der mit diesen Worten beginnt:

Anyone who is familiar with the iPhone is likely to know that these phones can be “jailbroken” or, to use the more common term “unlocked”.

Regel 2: Wenn Jay Freemann, der Mann hinter Cydia, gegenüber Wired die Anzahl von vier Millionen Jailbreak-Geräten im August 2009 auf seinem Server verkündet, bedeutet dies nicht automatisch, das im Januar 2010 mit 7.5 Millionen ‚freigeschalteten‘ Geräten zu rechnen ist.

The jailbreaking process has only become easier since August, and if that figure is still about 10% of all Apple devices that can access the App Store, that would mean that the total number of jailbroken devices today is approximately 7.5 million assuming that total worldwide sales of the iPhone and iPod touch are now 75 million.

Im Artikel unerwähnt: Seit drei Monaten steht ein Firmware-Update aus. Die Jailbreak-Prozedur ist demnach unverändert und immer noch sehr leicht. Durch die iPhone-Verfügbarkeit in mehren Ländern nimmt die Quote von Jailbreaks, die aufgrund des Unlocks durchgeführt werden musste, eher ab.

Based on our review of current information, paid applications have a piracy rate of around 75%.

Regel 3: Vier Entwickler-Nennungen, eine Aussage darüber das ein Programm bereits 40 Minuten nach dessen Veröffentlichung als Kopie verfügbar war, sowie eine hohe Chartposition auf ‚Piratebay.com‘ (übrigens heißt es thepiratebay.com) sollten nicht genügen, eine Quote von 75-Prozent ‚Raubkopien‘ zu ermitteln. Geschweige denn, einen numerischen Umsatzverlust daraus abzuleiten.

‚Piracy‘ bleibt natürlich trotzdem ein Thema, das ich hier nicht wegdiskutieren möchte. Mit einfachsten Methoden lässt sich jedoch für Entwickler Programmcode einfügen, der diese unsignierten Anwendungen erkennt. Wie damit dann umgegangen wird, findet jeder App Store-Entwickler selbst für sich heraus.

Despite this fact, Apple has been mute on the subject and done nothing to prevent acts of piracy, which is not unlike the stance it has taken on illegal music downloads to iPods.

Stumm? In-App-Verkäufe stehen derzeit als Mittel der Wahl hoch im Kurs. Dies teilte Apple am 21. Oktober 2009 seinen Entwicklern explizit in einem Anschreiben mit:

Using In App Purchase in your app can also help combat some of the problems of software piracy by allowing you to verify In App Purchases.