[interview] iFuntastic – bitSplit

Euer Lieblings-iPhoneBlog steigt zu diesem Wochenanfang in die Tiefen der Entwicklerkreise ab, und hat Christopher Knox von bitSplit Enterprises, dem Macher von iFuntastic vor das virtuelle E-Mail-Mikrofon gezerrt.

Doch lest selbst.

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Hallo Chris,

schön das du dich zu einem kurzen E-Mail Interview bereiterklärt hast. Du bist der Programmierer und geistige Kopf hinter iFuntastic, einer Zusatzsoftware für das iPhone der ersten Stunde, über die wir schon mehrfach auf dem iPhoneBlog berichtet haben.

Chris: Danke, Alex, für Dein Interesse an iFuntastic, und für die Gelegenheit ein paar Worte (oder auch ein paar mehr) dazu zu äussern.

Erzähl uns doch bitte erstmal ein bisschen was über deinen/euren Hintergrund. Bist du alleine für die Software verantwortlich oder veröffentlicht ihr als Team regelmäßig neue Versionen von iFuntastic und was machst du/ihr im Leben eigentlich ohne iPhone?

Chris: Fangen wir mal ganz von vorne an: Ich wurde in Los Angeles geboren, wuchs dann aber in Bühl im Schwarzwald auf. Mit 18 ging ich dann zum Studium zurück nach Los Angeles und blieb. Inzwischen wohne ich mit Familie in der Nähe von San Diego. Ich bin schon seit eh und je ein Apple Jünger und entwickle seit zwanzig Jahren Macintosh Software für verschiedene Firmen – zuletzt arbeitete ich an Remote Director, einem Programm für die Druckindustrie.

Letzten Juni kaufte ich mir mein iPhone – am ‚Tag danach‘, ohne Schlange zu stehen. Im Juli dachte ich mir, mal ein paar Klingeltöne zu installieren. Die Hackergemeinde hatte das iPhone kürzlich geknackt und ein ‚Rezept‘ veröffentlicht. Das ging wunderbar, aber ich hasse die Kommandozeile – ich bin sehr visuell orientiert und sehe nicht ein warum man tippen muß wenn man klicken kann!

An dem Tag verbrachte ich 21 intensive Stunden und produzierte Version 1 von iFuntastic – eine grafische Bedienoberfläche. Der Gedanke war den (iPhone-)Computer so viel wie möglich machen zu lassen – und das ist immer noch mein Hauptanliegen. Die Ironie ist natürlich eine Software zu schreiben tippen, die mir das unliebsame Tippen abnimmt…

Ende August wurde ich entlassen – wie das hier in den USA so läuft, sofort und ohne jegliche Warnung. Damit wurde iFuntastic schlagartig von Umsonst-ware zu Bezahl-ware um mich über Wasser zu halten. Ich versuche seither eine Softwarefirma auf die Beine zu stellen – von Arbeitgebern habe ich vorerst mal die Nase voll. Ein Team habe ich nicht, aber vielleicht kommt das noch – Hilfe könnte ich gut gebrauchen.

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iFuntastic ist „the application that turns your iPhone into YOUR iPhone“ heißt es auf deiner Webseite. Vielleicht könntest du den Lesern mit ein paar Sätzen erklären, was deine Software macht, wodurch sie sich auszeichnet und wer sie verwenden sollte? Werbeblock an!

Chris: iFuntastic fing damit an dem Anwender zu ermöglichen beliebige Klingeltöne auf sein iPhone zu kopieren. Ich liebe Grafiken und da ist das iPhone unübertroffen. Steve Jobs sagte mal über Aqua (die OS X Bedienoberfläche): ’so good you want to lick it‘ und ich habe ähnliche Gefühle wenn ich das iPhone anschaue. Der naheliegende nächste Schritt war dann Grafiken und Systemtöne und überhaupt jegliche Dateien auf dem iPhone zu modifizieren und nach eigenem Belieben (YOUR iPhone) zu gestalten. iFuntastic versucht das dem Anwender so einfach wie möglich zu machen.

Aus meiner Perspektive hat sich iFuntastic primär immer um die ‚Individualisierung‘ – das so genannte ‚Customizen‘ – des iPhones bemüht und ist nie richtig auf den Unlock-Zug aufgesprungen wie manch andere Software. Um die gewünschten Veränderungen mit iFuntastic vorzunehmen ist lediglich der ‚Jailbreak‘ notwendig, den du mit anbietet. Gab es Überlegungen von einer Integration von Unlock-Software wie beispielsweise anySIM um iFuntastic in eine eierlegende Wollmilchsau zu verwandeln? Was hältst du von dem ‚inoffiziellen‘ Betrieb solcher iPhones und warum heißt der relativ etablierte Begriff ‚Jailbreak‘ bei dir ‚Unshackle‘?

Chris: Ich dachte schon darüber nach, auch die Unlock Funktionen mit einzubinden. Ich entschied mich aus mehreren Gründen dagegen: Zum Einen neige ich mehr zum Gestalten von Bedienoberflächen als zum Werkeln unter der Haube. Unlock (und selbst Jailbreak) sind mir zu nahe an der Hardware. Da ich sowieso nur die Arbeit anderer übernehmen würde, überlasse ich das lieber den Experten und in Zukunft, da es jetzt so einfach geworden ist, werde ich das wohl auch auf den Jailbreak ausweiten.

Zum Anderen hatte (und habe) ich nur ein einzelnes iPhone mit AT&T-Vertrag; also weder den Bedarf für einen Unlock noch das Verlangen das iPhone unbrauchbar, geschweige denn das Wissen es wieder brauchbar zu machen.

Schließlich ist da noch die Frage der Legalität. Die ganzen Dev Teams sind wer-weiß-wo auf der Welt verteilt. Ich sitze sozusagen in der Höhle des Löwen und will es nicht riskieren von Apple und/oder AT&T auf’s Korn genommen zu werden. Unlocking kostet Apple und seinen Partnern direktes Geld und das ist meiner Meinung nach von einer ganz anderen Größenordnung – und eigentlich auch moralisch nicht vertretbar.

‚Jailbreak‘ war übrigens nicht ganz so etabliert als ich anfing es ‚Unshackle‘ zu nennen. Am Anfang war es tatsächlich ein ‚Ausbruch‘ aus dem Gefängnis, und nach getaner Arbeit tat man das Gerät wieder in den Knast zurück geschickt. Dann kam die Methode es einmalig aufzubrechen, und um dies zu unterscheiden fing ich an es ‚Unshackling‘ (also ‚Entketten‘) zu nennen. Und aus purer Sturheit blieb ich dabei.

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iFuntastic V3 wurde kurze Zeit vor dem Europastart des iPhones veröffentlicht. Hat sich mit UK, Deutschland und Frankreich der Benutzerkreis erweitert, erhebst du Statistiken wer deine Software verwendet und was ‚fordert‘ die Zielgruppe im Feedback an neuen Funktionen?

Chris: Ja, erfreulicherweise hat sich der Benutzerkreis erweitert. Zur Erhebung von Statistiken bin ich noch nicht gekommen, und Feedback bekomme ich leider sehr wenig. Muss wohl daran liegen, dass iFuntastic so gut wie perfekt ist…

Zu meinem Erstaunen habe ich Kunden aus der ganzen Welt – China, Australien, Rußland, Ungarn, Qatar, Südafrika – es ist schon faszinierend wie klein die Welt durch das Internet geworden ist. Und ich, der kaum sein Büro verlässt, kommuniziere mit Menschen aus aller Herren Länder.

Apropos Zielgruppe. Du bietet neben vielen kostenlosen Features auch drei Stufen der Bezahlung an. Neben einer dreitägigen ‚Probierversion‘ für $4.95 gibt es für $24.95 das so genannte Bishop Level und für $49.95 ‚den King‘. Was leistet deine Software für mich, wenn einer der bezahlten Level erworben wird und an wen richtet sich dieses Angebot vornehmlich.

Chris: iFuntastic richtet sich an jeden der sein iPhone (oder iPod touch) nach eigenem Ermessen gestalten und individualisieren will. Eigentlich ist es eine Spielerei, aber wenn man einen Blick auf die Klingelton- und Videospielindustrien wirft dann scheint es, dass die Menchen eben gerne spielen.

Einige Funktionen sind auch erst durch iFuntastic möglich geworden. Ich denke da zum Beispiel an die Verwendung von Grafiken als Email-Unterschrift, beliebige mp3-Dateien als Klingeltöne zu verwenden oder einen Bildhintergrund auf das Springboard zu legen. Auf das Letztere bin ich übrigens besonders stolz.

In der neuesten Version kann der Anwender nun auch seine eigenen ‚Themes‘ gestalten und auf dem iPhone hin- und herschalten. Das ist der ‚King Level‘, der für etwas fortgeschrittenere Benutzer gedacht ist. Er beinhaltet neben der vereinfachten Themagestaltung auch einen Index der meisten Dateien auf dem iPhone, eine Volltextsuche aller Textdateien und automatische Erkennung von Grafiken anhand eines Bildschirmschnappschusses – oder wie man das auch immer auf Deutsch sagen würde. Damit kann man das iPhone dann genauer studieren – ich denke das ist sogar für Hacker ganz nützlich.

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Kann man davon leben?

Chris: *Sollte* man davon leben? Meine Frau ist Entbindungsschwester und wiederbelebt öfter mal neugeborene Babys. Da ist im Vergleich das Verschieben von Bits auf diversem elektronischen Spielzeug doch ein bißchen weltfern. Aber ja, im Moment geht es. Meine Unkosten sind sehr gering obwohl eine steigende Tendenz auszumachen ist.

Ein Programm für unautorisierte Änderungen am iPhone ist natürlich eine etwas wackelige Grundlage für ein Geschäft, aber wir werden sehen wie (und wie lange) es weiter geht.

Wenn in der nächsten Woche Details zum SDK bekanntgegeben werden, würde mich interessieren wie du deine zukünftige Position im Bereich iPhone einschätzt, da wohl davon auszugehen ist, das Apple neben iTunes keinen offiziellen Nebenbuhler zulassen wird. Die USB-Schnittstelle scheint nach jetzigem Stand der Dinge nicht frei verfügbar für Soft- und Hardware-Entwickler. Bist du mit der jetzigen inoffiziellen Drittsoftware-Position zufrieden, schielst du auf deine millionenschwere Übernahme oder wo siehst du iFuntastic in 2 Jahren?

Chris: Wenn ich mir die Zukunft vorstelle, dann sehe ich manchmal eine millionenschwere Übernahme und manchmal einen ekligen Brief von Apple’s Anwälten – das hängt ganz von meiner Stimmung ab.
Ich weiß noch nicht wie das mit dem SDK werden wird – ich hoffe dann auch Software die *auf* dem iPhone läuft entwickeln zu können. Grafiken wird man wohl noch eine Weile bevorzugt am Desktop bearbeiten, so dass da schon noch Platz für iFuntastic wäre. Es kann natürlich sein, daß dem irgendwann ein für alle Mal der Riegel vorgeschoben werden wird. Aber warum? Das Aussehen deines Telefons zu modifizieren, greift ja nicht unbedingt jemandem in den Geldbeutel.

Eine PC-Version von iFuntastic wird es…

Chris: … wohl noch eine Weile nicht geben. Ich habe einfach keine Zeit dazu, dass auch noch zu lernen und bin zögerlich die Familienjuwelen aus der Hand zu geben. Der Quelltext ist plattformunabhängig geschrieben, weshalb das Programm auch leider nicht so ‚Mac-look-alike‘ ausschaut wie es sicherlich könnte. Inzwischen haben sich jedoch einige OS X spezifische Funktionen wie AppleScript und Unix Shell Scripts eingeschlichen. Im Laufe der letzten Versionen habe ich ein paar drastische Änderungen vorgenommen, die eine Pflege auf zwei Plattformen nicht ganz so einfach machen würde. Die ideale Person für den Konvertierung auf Windows oder Linux wäre ein früherer Kollege von mir – der ist allerdings nicht nur noch in einem anderen Job angestellt, sondern arbeitet schon an einem anderen Nebenprojekt.

Die nächste größere Weiterentwicklung ist jedoch schon am Horizont: Eine Lokalisierung von iFuntastic. Sprechen wir aber nicht über die Dokumentation, da habe ich ziemliche Probleme.

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Habe ich etwas vergessen zu fragen, das du an dieser Stelle unbedingt noch loswerden wolltest?

Chris: Ich möchte mich bei meinen Kunden für ihre Unterstützung bedanken. Das Geld (und damit der Lebensunterhalt) ist natürlich wichtig, aber was mich wirklich bei Stange hält, ist die Anerkennung für meine Arbeit. Ich bastele 16 Stunden am Tag an iFuntastic. Ich liebe es, aber es ist harte Arbeit. Als die allerersten $20 hier ankamen saß ich um 1 Uhr früh an meinem Computer und hatte Tränen in den Augen. Ich werde weiterhin mein Bestes tun und hoffen daß es gut genug ist.

Ich danke dir recht herzlich für die offenen und exklusiven Worte. Viel Erfolg weiterhin!

-> http://ifuntastic.com/