M! Games-Kolumne / August 2010

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Die vierte Auflage

Seit Apple vor drei Jahren das iPhone aus der Wundertüte zog, um der Mobilfunkwelt kräftig in den Hintern zu treten, haben 18 System-Updates die vier Geräte-Generationen erreicht. Mit dem aktuellen iOS 4.0 sortiert sich erstmals alte Hardware aus dem Software-Zyklus aus. Dem silbernen Metallrücken des iPhone Classic reicht die Puste nicht für eine erneute Frischzellenkur. Mit 36 Monaten Lebenszeit gehört damit die erste Generation zum alten Eisen und verbleibt bis zu ihrem Systemtotd auf Firmware 3.1.3.

Ein Jahr später streckte das iPhone 3G seine GPS-Fühler in die Luft und zieht im Gegensatz zu seinem Vorserienmodell mit auf den 4.0-Gipfel. Dort kommt es allerdings vollkommen ausgelutscht an. Multitasking oder farbenfrohe Hintergrundbilder bleiben dem lediglich 24 Monate alten UMTS-Strahlemann verwehrt. Das führte schon im Vorfeld der Ankündigung zu einem Aufschrei: Die für das Gerät abgeschlossenen Zweijahresverträge neigen sich hierzulande erst jetzt dem Ende ihrer Laufzeit entgegen. Was niemand erwartete: Nach der abgespeckten Systemaktualisierung fangen die Probleme erst an. Abstürzende Programme, Slowdowns und ruckelnde App-Store-Spiel empören ihre gebeutelten Eigentümer.

Da keine System-Downgrades vorgesehen sind, hängen Benutzer jetzt auf einer behäbigen OS-Version fest. Einige berichten, dass Apple sich nach langen Klage-Orgien schon zu Garantiefällen hat breitschlagen lassen. Aber das kann es doch nicht sein! Woher urplötzlich die Angst, alte Zöpfe abzuschneiden? Wenn es sich jemand leisten kann, Kunden mit Geräten vor die Tür zu setzen, die noch in diesem Jahr aktiv verkauft wurden, dann doch wohl Apple. Das iPhone 4 findet schneller einen Abnehmer, als es sich produzieren lässt. Wen kümmert da die Kundschaft von vorgestern?

Einbahnstrasse: Multitasking

Und dann war da noch die Geschichte mit dem iPad: Damit keine der geheimen Entwicklungen vor Fertigstellung des Gerätes an die Öffentlichkeit gelangt, arbeitet Apple intern mit streng getrennten Teams. Teilweise verschlingen ausgelagerte Entwicklermannschaften unglaubliche Geldbeträge, während sie gleichzeitig an ähnlichen Konstruktionen forschen – alles nur, damit das Gerüchte-Risiko möglichst klein gehalten wird. Dies führt in der derzeitigen Situation dazu, dass das iPad nicht auf den aktuellen Firmware-Zug aufspringt und am 3.2-Bahnhof gestrandet ist. Das iPhone 3GS und iPhone 4 profitieren von Hintergrundprozessen, die Spielstände aktueller Titel einfrieren. Damit ersparen sie beim plötzlichen Beenden der Anwendung dem Speicherstand seinen schweren Weg zum Datenfriedhof. Das iPad dümpelt dagegen auf einer eigenständigen – aber bereits ausgemusterten – Firmware nur hinterher. Unter diesem Missstand leidet vornehmlich die App-Store-Kategorie ‘Spiele’.

So vielversprechend ich den Ansatz hardwareübergreifender Aktualisierung lobte, derzeit verstrickt sich Apple doch in seinen Kompatibilitätsproblemen. ‘Multitasking’ ist rückblickend eine komplett verwirrende Funktionsbezeichnung für etwas, das aus Speichermangel jederzeit abgeschossen werden kann und mich bereits mehrere High Scores kostete. Nintendo und Sony wissen, warum auf ihren Konsolen nur ein Spiel zur gleichen Zeit läuft. Einziger Lichtblick: Mit iOS 4 hat Cupertino endlich seine interne Bilanzierung in den Griff bekommen, so dass auch iPod-touch-Besitzer kostenlos in iTunes auf den Update-Button drücken dürfen.

Nichtsdestotrotz: Es ist an der Zeit, die Falten aus der Wundertüte zu bügeln und eine klare Software-Richtung einzuschlagen.

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Für die M! Games, das dienstälteste deutschsprachige Videospiel-Magazin, verfasse ich eine monatliche Kolumne zum Thema iPhone. Die Ausgabe 203 befindet sich ab heute am Kiosk. Über Feedback zum aktuellen Artikel würde ich mich sehr freuen.