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M! Games-Kolumne / Dezember 2010

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Ende Oktober schaffte es iDOS, ein Open-Source-Emulator des 15 Jahre alten Betriebssystems MS-DOS, vorbei an den Schranken der ansonsten wachsamen App-Store-Hüter ins iTunes-Verkaufsregal. Für 79 Cent ließ sich damit eine Allzweck-Abspielstation für kultige Retro-Titel wie ‘Commander Keen’, ‘Police Quest’ oder ‘Sid Meier’s Pirates!’ für iPhone und iPad erwerben. Die Online-Berichterstattung überschlug sich für eine Handvoll Stunden, bis Apple den Software-Eintrag wieder aus seiner Datenbank entfernte. Die Verwunderung darüber war nicht sonderlich groß; der Ärger hätte nach meinem Geschmack größer ausfallen können. Nachvollziehbar bleibt: Die Applikation erschlich sich volle Zugriffsrechte auf das Dateisystem und riss damit Löcher in die sorgsam gehäkelte iOS-Sicherheits-Socke. Die zwei mitgelieferten Namco-Lizenztiteln ‘Ms. Pac-Man’ und ‘Dig Dug’, die auch separat zum App-Store-Kauf stehen, dürften einen ähnlich schwerwiegenden Beitrag zur Suspendierung beigesteuert haben. Den Rausschmiss ausbaden müssen jetzt jedoch Spiele des gleichen Jahrgangs, die bislang komplett ohne iPhone-Auftritt blieben. Ich denke dabei an ‘XCOM’ oder ‘Dune 2’. Erstklassige Code-Bauwerke, die heute meist in vergilbten Pappschachteln ein Dasein im Umzugskarton fristen. Ohne Frage: Selbst wer die Original-Disketten von einem ‘Transport Tycoon’ noch auf seinem Dachboden hortet, besitzt keinen Anspruch auf ‘entliehene’ Download-Angebote für seine verspielte Zeitreise. Mit eigenhändigen Kopier-Anstrengungen an einem Floppy-Drive lassen sich die verblühten Klassiker der Allesfresser-Emulation jedoch ohne Stolpersteine zum Fraß vorzuwerfen. Hat jemand Lust auf einen Abstecher ins ‘Maniac Mansion’?

Soundblaster und Autoexcec.bat

Das Leidwesen älterer Spiele-Semester scheint fest verankert mit einer Lizenz-Problematik. Zersplitterte Entwicklerstudios und aufgelöste Publisher-Teams tragen ebenfalls ihren Anteil dazu bei, dass uns einige Neuauflagen ehemaliger Chartstürmer wohl nie erreichen. Bedauerlich, weil mit dem App-Store-Gerüst zum ersten Mal eine beachtenswerte Vertriebsplattform für diese vorsintflutlichen Kulturgüter besteht. iPhone und iPad verkörpern für den Handheld-Markt eine Brutstätte von hochmodernen, angestaubten sowie zeitlosen Spielkonzepten. Paradebeispiele sind nicht schwierig zu finden: Mitte November presste Spaces of Play, ein Programmierer-Kollektiv aus Berlin, dass traditionelle ‘Lemmings’-Konzept in ein neues Software-Kostüm. Bezaubernd. Doch warum trampelt bis heute keiner der direkter Blutsverwandten von den grünhaarigen Gnomen in blauem Hosenanzug über meinen Touch-Bildschirm? Ein kurze Suche klärt auf: Lizenzinhaber Sony Entertainment wirbelte erst in diesem Sommer der schwedischen Adaption die Abmahn-Keule um die Ohren. Seitdem herrscht Funkstille. Juristisch ist das wahrscheinlich Sonys gutes Recht; die Lemminge warten weiterhin auf ihr erstes App-Store-Schaulaufen. Vergessen wird: Neuauflagen lohnen! Klassiker-Umsetzungen wie ‘Prince of Persia’, ‘The Secret of Monkey Island’ oder die ‘ZX Spectrum Elite’-Kollektion verkaufen sich. Bedauerlich bleibt: Eine gigantische Anzahl von Shareware-Software ist durch Apples Ungnade am iDOS-Projekt seinem Kulturkreis entzogen. Andere Güter wie Filme, Musik und Bücher erkämpften sich die digitalen Distributionswege langwierig, inzwischen jedoch erfolgreich. Daher stirbt die Hoffnung zuletzt, dass uns die ‘Spiele unserer Jugend’ noch vor einem Jahrtausend erreichen, das mit fliegenden Autos und ‘Last Minute’-Weltraumspaziergängen aufwartet.

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Für die M! Games, das dienstälteste deutschsprachige Videospiel-Magazin, verfasse ich eine monatliche Kolumne zum Thema iPhone. Die Ausgabe 207 befindet sich ab sofort am Kiosk. Über Feedback zum aktuellen Artikel würde ich mich sehr freuen.