HomePod – ein Angriff auf dumme Lautsprecher

Seit Dienstag lese ich HomePod-Reviews. Wenn ich drei Beiträge empfehlen sollte, würde ich euch als Einstieg die Artikel von John Gruber, Matthew Panzarino und Nilay Patel ans Herz legen. Diese drei Beiträge halten sich nämlich nicht mit den groben Eckdaten von Apples neuer Soundbox auf (die man quasi auf Apple.com nachlesen kann), sondern vermitteln Meinungen zur Klangqualität, zur Praxistauglichkeit und den Limits der Hard- und Software. Und weil Lautsprecher ein so arg subjektives Thema sind, liefern mir individuelle Meinungen den höchsten Informationswert.

Trotzdem kam mir der radikale Wandel im Lautsprechermarkt – so wie er sich seit einigen Jahren abzeichnet – überall zu kurz. Spätestens jetzt, unter der Beteiligung von Google, Amazon und Apple, nimmt der Generationswechsel an Fahrt auf. Multiroom-Audio, eine komplett kabellose Wiedergabe als neue Audio-Standardverbindung sowie die unterschiedlichen Ausprägungen von „spatial awareness“ (Sonos nennt es Trueplay), werden in den nächsten Jahren den kompletten Markt auf den Kopf stellen.

Klinkenanschlüsse sind bereits überflüssig – keine Überraschung. Mit nicht-vernetzten Lautsprecher – nennen wir sie doch „Offline-Boxen“ – wird man es als Hersteller zukünftig sehr schwer haben. Wenn ein Lautsprecher seine Umgebung nicht anhand von Sensoren erkennt, um den Klang individuell darauf abzustimmen, wird er nicht aufs Niveau der Neueinsteiger springen können. Google Home Max, Amazon Echo, Apples HomePod und das Sonos-Portfolio melden die ehemaligen Lautsprecher-Eliten ab – ähnlich wie Smartphones damals die Feature-Phones in Rente geschickt haben. „Dumme“ Speaker besetzen in Zukunft nur noch Nischen – in einem dedizierten Heimkino oder als Studio-Boxen.

Ein Lautsprecher, der in den nächsten Jahren noch relevant sein will, muss direkt mit Streaming-Bibliotheken kommunizieren oder Audioströme von Smartphones entgegennehmen – beispielsweise über AirPlay. Sonos hat sich seit jeher einer direkten AirPlay- oder Bluetooth-Verbindung verweigert und nur auf Konkurrenzdruck für dieses Jahr die Unterstützung von AirPlay 2 angekündigt.

Sonos hat allerdings früher als viele andere Hersteller erkannt, dass man Lautsprecher heutzutage nicht mehr fest installiert; nicht mehr an nur einem ausgewählten Ort aufstellt. Es gibt deshalb auch keinen „Sweet Spot“ mehr, den man im Wohnzimmer finden muss. Der Lautsprecher passt sich automatisch jeder Umgebung und Räumlichkeit an und klingt überall gleich (gut).

Ich stamme noch aus einer Generation, in der man Lautsprecherkabel hinter Fußleisten verlegt hat, die Enden dieser Kupferdrähte an die Rückseiten von mächtigen Receivern geklemmt hat, und dann mit einem Einmessmikrofon in der Zimmermitte herumgesprungen ist. Damals verpönten wir die limitierte Musikwiedergabe über einzelne (Bluetooth-)Lautsprecher – heute erscheint mir ein 5.1-Surround-Set, das sich nur schwierig umbauen oder verrücken lässt, absolut unattraktiv.

Apples Einstieg mit HomePod in den Lautsprechermarkt ist interessant, weil Cupertino sich historisch (und nach eigener Aussage) nur in Märkte wagt, in denen sie etwas beizusteuern haben.

In vielen Märkten, in die sie bislang eingestiegen sind, kann man rückblickend eine identische Formel ausmachen: Apple miniaturisiert (physikalisch) große Technik und gleicht den Größenunterschied durch Software und Algorithmen aus (die sie nach dem initialen Start über mehrere Generationen verbessern). Apple konzentriert sich gewöhnlich auf ein oder zwei ‚Headliner‘-Features, die sie anschließend weiterentwickeln. Die Kamera im iPhone ist ein naheliegendes Beispiel: ‚Computational photography‘ ersetzt inzwischen das, was klassische Kameras bislang durch Objektive erzielt habe. Apples Formel passt aber auch der Apple Watch wie die Faust aufs Auge oder ihren AirPods, die allem voran eher Mini-Computer als Kopfhörer sind.

HomePod scheint – soweit das bislang die Reviews verraten – viele verschiedene Puzzleteile für zukünftige Anwendungen in Position zu schieben (HomeKit, Home Assistant, etc.), sich über die erprobte Formel aber zuerst auf ein Feature zu beschränken – die standortunabhängigen Musikwiedergabe in einem sehr kompakten Format.