Das iPhone 13 Pro Max

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Jedes Frühjahr liebäugle ich mit einer dedizierten Fotokamera. Und jedes Jahr im Herbst bin ich dann froh, keine gekauft zu haben. Auch das iPhone 13, das ich in seiner Pro-Max-Variante vor zwei Monaten auspackte, stellt dies abermals unter Beweis.

Zugegeben: Der Wechsel vom iPhone 12 Pro Max auf das 13 Pro Max hat meinen Alltag nicht durcheinandergebracht. Die Abmessungen waren vertraut und das 12 Pro Max probierte bereits im letzten Jahr die optische Bild­stabilisierung mit Sensor­verschiebung aus, die nun gleichermaßen in allen 13er-Modellen steckt. Richtig gelesen: In diesem Jahr ist niemand mehr gezwungen für die beste Kamera das körperlich größte iPhone zu shoppen. Man entscheidet sich diesmal zwischen Pro oder Nicht-Pro und dann nur noch nach Bildschirmgröße und Batterielaufzeit.

Aber es steht nicht nur die Sensor­verschiebung im Rampenlicht: Das (normale) Weitwinkel-Objektiv fängt euch 49-Prozent mehr Licht gegenüber dem 12 Pro Max ein; im Vergleich mit dem 12 Pro ist diese Leistung bei weniger Licht sogar 2,2-mal besser. Und Lichtstärke bleibt bei dem (im Verhältnis zu Systemkameras) immer noch kleinen Sensor, ein entscheidender Eintrag auf dem Datenblatt.

Den mit Abstand größten Sprung sehen wir jedoch beim Ultraweitwinkel. Im iPhone 11 Pro war dieses Objektiv eine Spielerei; das iPhone 12 verbesserte lediglich die Schärfe an den Rändern. Im dritten Anlauf ist es nun der heimliche Gewinner des diesjährigen Kamerasystems – ganz besonders, weil der Autofokus nun neue Bildkompositionen zulässt. Um es ganz praxisnah zu formulieren: Das Ultraweitwinkel fotografiert euch nicht mehr nur Architektur.

Mit mehr Licht, mehr Schärfe und mit viel weniger Rauschen kann man jetzt ernsthaft Personen vor dieses Objektiv zerren. Apple prügelte die Bildqualität kompromisslos nach oben. Lediglich für die leicht verzerrten Bildschirmecken drückt man ein halbes Auge zu – aber das kann ja auch ein Stilmittel sein.

Nee, ernsthaft: Das neue Ultraweitwinkel öffnet mehr kreative Optionen, die vorher nur mit starken Kompromissen zu akzeptieren waren.

Obendrein ist das Ultraweitwinkel aber nicht nur das Objektiv um besonders viel ins Bild zu bekommen, sondern auch um besonders nahe dranzukommen. Makrofotografie vermisste ich seit Jahren im iPhone.

Die (fehlende) Fokusdistanz war schon oft Thema im iPhoneBlog. Während man andere Brennweiten durch die Benutzung seiner Füße auswählt, war es ohne Zubehör bislang nicht möglich näher als circa 10 Zentimeter heranzukommen. Das sind Fotos, die bislang nicht mit dem iPhone möglich waren. Der Makro-Modus ist deshalb tatsächlich eine Art viertes Objektiv, das man immer dabei hat.

Die Qualität dieser Bilder hat noch ordentlich Luft nach oben – die Aufnahmen franzen zu den Bildrändern nämlich regelrecht aus. Trotzdem überraschen die Details, die man aus einer Entfernung von nur 2 cm in der Bildmitte aufgreift.

Viele Reviews demonstrierten die Möglichkeiten der Makrofotografie anhand von Blumen. Für uns war es ein Makro-Video vom wackelnden Milchzahn meiner Tochter, das ich ihren Großeltern schickte. Allerdings habe ich nie nachgefragt, ob meine Eltern wirklich so nahe dran sein wollten …

Apropos wackeln: Ein ruhiges Händchen und gutes Licht sind notwendige Voraussetzungen, um an diesen Bildern und Videos tatsächlich Detailfreude zu entwickeln.

Über das neue Tele-Objektiv mit 3x optischem Zoom habe ich eigentlich nicht viel zu sagen. Es trennt ohne Porträtmodus ein Objekt im Vordergrund von seinem Hintergrund. Durch die neue Reichweite büßt man bei einer ƒ/2.8 Blende jedoch Lichtstärke ein.

In Situationen, in denen ich tatsächlich nicht näher rankomme, hilft das. Der Vorteil schwindet jedoch, wenn der Himmel zuzieht – so wie sich beispielsweise Helsinki derzeit auf die düsteren Wintermonate vorbereitet. Ab 15 Uhr ist das Tele-Objektiv hier an den meisten Tagen deshalb nur sehr eingeschränkt zu verwenden.

Entgegen meinen Erwartungen springt die Kamera dann jedoch nicht augenblicklich in den „Night mode“. Das 13 Pro vermeidet aggressiv eine längere Belichtungszeit für Nachtfotos. Aber nicht böswillig, sondern weil es auch in dunkleren Situationen über das Weitwinkel ohne den speziellen Nachtmode auskommt. Im letzten Jahr hatte ich genau diese Bemühungen hochgelobt; in diesem Jahr zuckt die Kamera selbst bei herausfordernden Indoor-Fotos lediglich mit den Schultern.

Ich kann nur noch einmal unterstreichen, wie signifikant es für mich persönlich ist, in schummrigen Innenräumen noch Fotos meiner Kids knipsen zu können. Und sollte trotzdem einmal der Nachtmodus notwendig sein, hilft bei wenig Licht der schnellere Autofokus.

Obendrein traut sich die Kamera düstere Stellen im Bild nun auch tatsächlich dunkel darzustellen. Apple drehte an den eigenen Schwarzwerten und hebt jetzt nicht mehr übermütig die Helligkeit in allen schattigen Fotoecken an.

Mit dieser Selbstsicherheit wagt es Apple sogar erstmals „Fotografische Stile“ anzubieten. Damit ändert ihr Parameter in Apples Kamera-Pipeline.

Kameras haben bekanntlich einen eigenen Look. Fotos aus einem iPhone unterscheiden sich von Fotos aus einem Pixel- oder einem Samsung-Smartphone. Hier gibt es kein Richtig oder falsch: Kamerahersteller interpretieren. Apple stellt mit „Photographic Styles“ diesen Stil erstmals zur Diskussion. Damit wird es etwa möglich, generell wärmere Fotos zu schießen; oder Bilder mit einem höheren Kontrast zu erzeugen.

Die unterschiedlichen Stile brennt das Telefon in die Bilder ein; es ist kein Filter, der sich später entfernen lässt. Die Änderungen fallen nicht radikal aus, sind aber auch nicht zu übersehen. Ich habe mich von Austin Mann inspirieren lassen: „Satt und Warm“ mit Ton -30 und Wärme 15 ist meine generelle Einstellung für alle Aufnahmen. Für jedes Fotos, das ich dagegen später (am iPad) aufwendiger bearbeiten möchte, wähle ich ProRaw und lege mich so nicht beim Zeitpunkt der Aufnahme für eine Stilrichtung fest.

Doppelt unterstreichen möchte ich in diesem Zusammenhang die iCloud-Mediathek. Sie nimmt euch die Fragen ab, wie viel lokalen Speicherplatz euer iPhone benötigt. Gleichzeitig gibt es keinen größeren Komfort am Ende des Tages sein iPad auf die Couch zu tragen und augenblicklich die Fotos der letzten Stunden durchzuschauen. Jeder sollte das Speicherplatz-Abo in den Kaufpreis der Hardware einkalkulieren.

Diese besagten iPads hatten bereits seit mehreren Jahren ein ProMotion-Display; mein iPhone mit OLED-Screen besitzt es nun erstmals auch. Zwischen 10Hz und 120Hz sind jetzt diverse Zwischenstufen für das LTPO-Panel möglich; zuvor war das iPhone fest auf 60Hz eingegroovt.

In 14 iPhone-Jahren habe ich viele Millionen Mal die Animation beobachtet, mit der die App-Icons nach der Geräte-Entsperrung auf dem Homescreen landen. Niemals zuvor war das so flüssig wie heute. Selbst nach zwei Monaten der Nutzung haben sich meine Augen daran noch nicht sattgesehen.

Allerdings hat mir die adaptive Bildwiederhol­raten auch nicht den Blick auf iPhones ohne ProMotion verdorben.

Ich nutze parallel noch ein iPhone 12. ProMotion auf dem iPhone 13 ist ohne Frage netter, aber es ist auch kein Dealbreaker. Beim Scrollen von Webseiten sticht euch die konstante Schärfe sofort ins Auge. Das Super Retina XDR Display ist ein typisches Premium-Feature, das ich für ein 1000-Euro-Telefon aber ab sofort erwarte.

Insgesamt bleibt der Screen des iPhone Pro(-Motion) in puncto Dynamikumfang und mit einer leicht erhöhten Grundhelligkeit – sowie der maximal aufgedrehten HDR-Helligkeit — (m)ein Referenz-Bildschirm. Alles, was ich selbst filme, muss auf dem iPhone gut aussehen – dann stimmt es.

Der Bildschirm hat weiterhin eine schwarze Umrandung und erstreckt sich nicht komplett bis zum Gehäuserahmen. Wir bleiben dieses Jahr beim kantigen Design und dem schicken Edelstahlrahmen, der weiterhin Fingerabdrücke anzieht. Mit dem Kontrast zur matten Glasrückseite bleibt es ein enorm formschönes iPhone. Vergessen sind für mich vorerst die abgerundeten Handschmeichler der letzten iPhone-Generationen.

Das neue Panel mit variabler Bildwiederholungsrate dürfte signifikant an der absurden Akkulaufzeit mitwirken. Zwar ist auch die Kapazität der Batterie gewachsen: Allerdings dürfte die reduzierte Bildwiederholungsrate mehr Akku sparen, als das durch eine größere Batterie möglich wäre.

Wie viel Akku man benötigt, fällt bekanntlich sehr individuell aus. Ich bezeichne mich als intensiven Nutzer. Am Ende des Tages stecke ich das Telefon grundsätzlich ans Kabel. Beim iPhone 13 Pro Max habe ich das Aufladen über Nacht tatsächlich schon manchmal verschwitzt. Aber selbst das ist kein Showstopper, auch wenn das Pro Max dann unterhalb des nächsten Tages irgendwann einmal ans (Schnelllade-)Kabel muss.

Trotzdem sei nicht unterschlagen, wie schwer das iPhone 13 Pro Max ist. Die 240g fühlt man beim Anheben sofort. Der kleine Finger, auf dem ihr das Telefon balanciert, während ihr durch TikTok scrollt, wird irgendwann schmerzen. Kleineren iPhones, so wie das iPhone 13 mini mit nur 140g, geht es hier besser. Dafür benötigt das Pro Max wirklich nie den separaten Akku-Pack.

Es ist tatsächlich schwierig, Aufgaben für das 13er-Modell zu finden, die den Akku nachvollziehbar auffressen. Die Aufnahme von HDR-Videos bleibt allerdings ein verlässlicher Kandidat, um die sechs CPU-Prozessorkerne respektive fünf GPU-Kerne zu kitzeln.

Der ressourcenintensive Kinomodus fühlt sich hier direkt angesprochen. Die Qualität dieser Videos, bei denen man später die Tiefenschärfe verlagert, ist noch ein paar Jahre davon entfernt, gedankenlos benutzt zu werden. Wenn man jedoch seine Limits kennt, lassen sich schon heute beeindruckende Resultate erzeugen. Das sind Videos, die vorher so nicht möglich waren.

Aber nein, damit dreht man noch keine Kinofilme. Trotzdem zog die Produktionsqualität unsere Homevideos steil an. Und dabei sind es nicht nur die Fokus-Übergänge, sondern beispielsweise auch die Fokussierung durch einen Wasserfall aufs Gesicht meiner Kids.

Entgegen meinen Erwartungen nutzt das Pro-Modell dafür nicht seinen LiDAR-Scanner (so wie für die Porträt-Fotos), sondern erkennt per Software die Körper und Gesichter. Zweite Überraschung: Nicht nur Körper und Gesichter werden erkannt. Alles, was näher dran ist, kann im Fokus stehen.

Auch hier gilt: Der Kinomodus präsentiert sich als neues Kreativwerkzeug, das vorher nicht vorhanden war. Und selbst mit seiner technischen Einschränkung auf Full-HD fallen dort Videos heraus, die manchmal überraschen – und ein anderes Mal grandios scheitern.

Der „Cinematic Mode“ wird den vergleichbar (mehrjährigen) Werdegang des Porträtmodus durchleben – von „nette Spielerei“ über „kann man mal benutzen“ bis zu „ist doch selbstverständlich“. Es ist ein Feature, nach dem keiner fragte, und das in wenigen Jahren zu einer Selbstverständlichkeit werden wird.

Mit ProRes-Video­aufnahmen verhält es sich anders. Ernsthafte Filmemacher fordern seit Jahren eine höhere Datenrate und einen Codec, der weniger komprimiert – als Alternative zu den zusammengestauchten H.264- respektive H.265-Videodateien.

Trotz dieser Forderungen waren die Erwartungen nie groß; deshalb überraschte ProRes. Es ist eins von diesen Features, die nur für eine kleine Gruppe von Menschen relevant ist. Für alle anderen sind die Kosten in Form von Speicherplatz einfach zu groß. Obendrein ist der Gewinn an Bildqualität nur durch eine aufwendige Nachbearbeitung zu erlangen.

Apple lässt hier selbstbewusst die Muskeln tanzen. Hollywood und Co. füllen bereits heute Blockbuster-Filme mit einzelnen Filmschnipseln, die aus einem iPhone stammen. Die Kamera passt in engste Räume; niemand verschwendet auch nur einen Gedanken daran, wenn das Telefon eine Szene nicht überlebt.

Genau diese Produktionen bekommen jetzt die Möglichkeiten durch Farbkorrekturen die iPhone-Aufnahmen den anderen Kameras anzupassen. ProRes-Video ist Apples Flex für eine (semi-)professionelle Anwendung, die bereits stattfindet.

Und genau hier schießt sich Apple mit seinem Lightning-Port ins eigene Bein: Ein flotter Thunderbolt-(USB-C-)Anschluss wäre für die Übertragung der gigantischen Videodateien schlicht notwendig. Weil’s aber der falsche Kompromiss für jeden anderen Kunden wäre, bleiben wir berechtigterweise beim Lightning-Port.

Mit dem 13er-Modell verdoppelt sich die Speicherkapazität erstmals auf 1 TB. Das ist auch arg notwendig, wenn ProRes-Video pro Minute rund 6 Gigabyte dieses Speichers füllen. Es dürfte auch der Grund sein, warum iPhones mit 128 GB-Speicher nur in 1080p/30 ProRes filmen, wenn die anderen Modelle in 4K/30 aufzeichnen.

Nach zwei Monaten mit dem 13er ist meine „Honeymoon“-Phase zu Ende; aber die Begeisterung bleibt. Das iPhone 13 Pro Max ist im Alltagstrott angekommen, hat meinen Enthusiasmus aber nicht verloren. Nach zwei Monaten kann ich diese Zeilen mit Überzeugung schreiben.

Trotzdem fordern wir Käufer und Käuferinnen der Pro-Modelle knalligere Farben! Eine repräsentative Umfrage fehlt mir, aber die arg blassen Gehäusetöne dürfen nach dem iPhone 11 Pro (Nachtgrün), iPhone 12 Pro (Pazifikblau) und iPhone 13 Pro (Sierrablau) zukünftig gerne mehr strahlen.

Die Display-Aussparung für das TrueDepth-Kamerasystem – umgangssprachlich als „Notch“ bezeichnet – ist 20-Prozent kleiner. Die dort integrierte Lautsprecher- und Mikrofon-Kombination wandert an den Gehäuserand – zuvor war sie mittig positioniert.

Wie in allen Face-ID-iPhones zuvor übersieht das Auge nach wenigen Stunden die Bildschirm-Kerbe. Schon deshalb wäre diese komplette Neukonstruktion eigentlich nicht notwendig. Weil’s aber geht, macht Apple es. Das entspricht dem Level an Detailliebe, die ich von der iPhone-Firma (und von seinem teuren Telefon) erwarte.

Äußerlich bleibt das Design vertraut. Das iPhone 13 ist gegenüber dem letzten Jahr trotzdem nicht nur Modellpflege. Makrofotos, ProRes- und Cinematic-Video­aufnahmen, das ProMotion-Display und die deutlich längere Akkulaufzeit (bei gleichzeitig mehr Performance) sind nicht nur ein Facelift des iPhone 12.

Schenkt man diesen Details seine Aufmerksamkeit, sieht man den Mehrwert für die Nutzung im Alltag – egal wie hoch oder wie gering die persönlichen Ansprüche ans iPhone ausfallen.