Microsoft kauft sich Videotelefonie

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Wer behauptet, die heutige Skype-Übernahme von Microsoft interessiert keine iOS-Nutzer, unterschätzt die Investitionskraft von 8.5 Milliarden US-Dollar eines Weltkonzerns. Vielleicht sind diejenigen, die jetzt schelmisch schmunzeln, aber auch einfach nur noch nicht so lange mit im Netz dabei, um den Stellenwert eines plattformübergreifenden VoIP-Dienstes (ein-)schätzen zu können.

Welche Rolle der Dienst bereits in der (kurzen) iPhone-Historie spielte, zeigen ein paar Eckpunkte:

  • April 2009: Mit sechs Download-Klicks pro Sekunde verteilt sich die erste Skype-Version. Mobilfunkanbieter sind ‚empört‚. ‚Hacks‘ machten die Runde. Heute haben wir zumindest VoIP-Optionen.
  • Januar 2010: Neue SDK-Bestimmungen erlauben VoIP-Calls im 3G-Netz. Skype zieht erst Ende Mai mit einem Update nach. Damals explizit im Gespräch: Anrufe über eine UMTS-Verbindung bleiben „bis August 2010 kostenlos„; danach fällt „eine geringe Gebühr“ an.
  • Dezember 2010: Nach ersten FaceTime-Gehversuchen ist Video-Telefonie plötzlich ‚im großen Stil‘ verfügbar – Skype in Version 3.0 macht dies sogar über 3G möglich.

Insgesamt: Ein schöner Status quo.

Steve Ballmer bestätigte auch auf erneute Journalisten-Rückfrage noch einmal die Aussage seiner PR-Ansprache: Man wolle auch zukünftig „Unterstützung und Investitionen“ für „non-Microsoft platforms“ leisten.

Ob allerdings Updates für das iPhone zur gleichen Zeit die Marktreife erhalten, wie der favorisierte ‚Windows-Phone-7‘-Bruder, wird sich erst noch zeigen. Ganz abgesehen davon muss MS in naher Zukunft die komplette Hardware-Produktlinie von Nokia mit (angepassten) VoIP-Apps ausstatten.

Schlussendlich kostet das Geld. So simple das vielleicht klingt. Aber die Pflege, Wartung und Anpassung für verschiedene Systeme erfordert erhebliche Aufwendungen. Irgendwann kommt auch Tony Bates, aktueller Skype-CEO und zukünftig Abteilungsleiter mit direktem Ballmer-Draht in Erklärungsnöte, wenn unzählige Arbeitsstunden für eine angepasste iPad-Version aufgewendet werden sollen.

Speziell auf der iOS-Plattform sollte die Monetarisierung durch Reklame-Einblendungen oder zusätzliche Bezahldienste besonders ’schwierig‘ ausfallen – wir kennen alle den verbitterten Kampf im Werbemarkt, mit dem uns Google und Apple regelmäßig unterhalten.

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Microsoft müsste für eine gewollte Benachteiligung also nicht einmal die App den Konkurrenz-Geräten vorenthalten sondern einfach ‚unausgeglichen‘ aktualisieren. Auch nett: Exklusiv-Verträge mit Mobilfunkanbietern, die WP7-Telefone mit Skype auch über UMTS verbinden. Solche ‚strategischen Partnerschaften‚ sind zumindest nicht neu.

Durch das Fehlen von populären Alternativen sollte man als iPhone-Kunde daher schon genau hinhören. Und trotzdem glaube ich nicht, dass es mit alleiniger Schwarzmalerei getan ist. Microsoft sitzt keinesfalls auf der Anklagebank. Ganz im Gegenteil: Durch die aktuelle Akquisition ist das derzeit plattformübergreifende Redmond-Angebot vorbildlich.

Ähnlich wie in Mountain View bei Google. Dessen Video-Chat und Voice-Dienste finden breiten Anklang. Eine wirklich lesenswerte Randnotiz schrieb heute Steven Levy mit „Why Google Does Not Own Skype“ auf.

Für Apple dagegen scheint ‚FaceTime for Windows‘ in weiter Ferne. ‚Autarkie deluxe‘. War nicht auch einmal von „open industry standards“ die Rede?

Upon the launch of the iPhone 4, Jobs promised that Apple would work in due course with standards bodies to make the FaceTime protocol an „open standard.“ As of April 2011, it is not yet known to have been ratified by any standards body, and the extent of work by Apple with regards to this promise is unclear as Apple has not released technical specifications for the service. FaceTime is not currently supported on any non-Apple devices.

Wie sich ein nicht plattformübergreifendes System anfühlt, zeigte sich im vergangenen Herbst. Das iPhone 4 lieferte tolle FaceTime-Technik und niemanden, den man anrufen konnte.

Keine Frage: Skype ist als Programm immer noch eine Zumutung in puncto Optik, Bedienung und übel verseuchter Proprietär-Technik. Trotzdem hat sich die Software in den letzten acht Jahren eine Fan-Gemeinde mit über 170 Millionen Nutzern aufgebaut und funkt problemlos durch alle Router-Windungen. Gleichzeitig verhökerte man das Luxemburg-Unternehmen mehrmals. Sowas ist nie ressourcenschonend. Und trotzdem lebt ‚es‘ immer noch.

Ob’s Microsoft schafft, die Bestie zu erlegen, hängt meiner Meinung nach extrem stark davon ab, wie sie das Baby in den nächsten Jahren schaukeln. Mit cleveren Werbekonzepten oder einem Facebook-Lizenz-Deal, der allen 600 Millionen Zuckerberg-Kunden Videotelefonie in den Browser liefert, ließe sich die Vormachtstellung ausbauen.

Weil eins ist doch klar: (Video-)Telefonie ist aus keiner (zumindest mir bekannten) Zukunftsperspektive wegzudiskutieren. Und Skype ist plattformübergreifend sowie aus globaler Sicht aktuell der größte Anbieter für (Video-)Telefonie.

Oder um’s kurz zu machen: Skype gehört ab heute Microsoft.