Das 5c

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Apples 5c ist das wichtigere iPhone. Es ist nicht das (technisch) beste Telefon aus Cupertino, aber das für diese Saison bedeutendere Gerät.

Nach sechs iPhone-Generationen setzt Apple nicht mehr alles auf eine Karte. Erstmals sind es zwei Geräte, die die größte Smartphone-Marke durchs nächste Jahr schaukeln. Zum ersten Mal lastet der Erfolgsdruck auf zwei Schultern. Das schützt nicht gegen ein nächstes (medial überzeichnetes) Antennagate, verteilt jedoch das Risiko. Gerne vergessen: Die iPhone-Sparte verdient die Hälfte der gesamten Firmenumsätze.

Mit dem 5c spielt Apple jedoch nicht auf Sicherheit. Ja, die Farben garantierten den iPods ihren Erfolg, aber wie viele andere Herausforderer fahren mit einer bunten Telefonlinie ihre Gewinne ein? Die Lumias, der wohl naheliegendste Kandidat für diesen Vergleich, kommen auch am Ende ihres zweiten Jahres nicht in Schwung. Es scheint mittlerweile egal, wie viele neue Modelle Nokia Microsoft nachschiebt.

Aber auch eine Gegenüberstellung mit dem Moto X von Google drängt sich auf. Die individualisierten Rückseiten, Gravierungen und farbenprächtigen Verzierungen streben nach ausgewogener Mittelklasse. Das ist keine Kritik, sondern ein Lob. Google versucht sich bewusst das kalte Transformer-Image des Hacker-Betriebssystems abzustreifen und keine technischen Specs in den Vordergrund zu rücken. Der Ansatz des Moto X ist damit fast iPhone-esque.

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Auch im 5c, dem "iPhone für alle", steckt abgehangene Technik1. Technik, die die Technikpresse bereits aus dem letzten Jahr kennt und deshalb Apples zweite Produktlinie nur beiläufig begleitete. Das Verhältnis der (Test-)Berichterstattung zwischen 5s und 5c fiel eindeutig zugunsten des 5s aus.

Ich schließe mich hier überhaupt nicht aus. Auch mein sonnenblumengelbes 5c genoss neben Touch ID, der 'Burst Mode'-Kamera und dem A7– sowie M7-Prozessor anfangs weniger Aufmerksamkeit. Es fühlte sich so an, als ob bereits alles gesagt wurde; jedes vorstellbare Argument in Tastaturen gehackt war. Insbesondere nachdem das Internet vor dem Release alle Farben, die Gehäusekonstruktion und sogar die Verpackung zerpflückte.

Die tatsächliche Benutzung stellt dann trotzdem wieder alles auf den Kopf. Obwohl ich die technische Überlegenheit des 5s nicht missen möchte: Das neue 5c fühlt sich in meinen Händen im Moment attraktiver an als das bekannte 5s2.

In erster Linie ist das der Plastikrückseite zu verdanken, dessen Farben nicht poppen, sondern versprechen die Augen auch noch in drei, sechs und zwölf Monaten nicht zu langweilen. 'Plastik' ist eine irreführende Bezeichnung. Das Material entspricht nicht im Ansatz der Verarbeitungsqualität, die man Kunststoff aus einem Bauchgefühl heraus zuschreibt. Alle Knöpfe sind klicki, mit gutem Gegendruck – kein Vergleich zum iPhone 3G oder 3GS. Das 5c steht qualitativ nicht hinter dem 5s. Und das verlockt (auch mich).

Der gemeine Bürger, Menschen, die nicht täglich Engadget überfliegen oder Tabellen mit Spezifikationen wälzen bevor sie bei ihrer lokalen Mobilfunkbude die Vertragsverlängerung klicken, empfindet das 5c als ein komplett neues Telefon. Das Apple nahezu identische Innereien verbaut und damit abermals die Marge dieses Premium-Preis-Phones hebt, ist seinen Kunden a) nicht bewusst und b) auch völlig egal.

"Unterschätze niemals die Macht des Neuen!"

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Das 5c versucht den eingefahrenen Status quo zu drehen. Smartphones müssen nicht mehr nur zu Anzug und Jackett passen, sondern auch zu Baggy Pants und Sommerkleid. Die Individualisierung geschieht seit Jahren auf Softwareseite – von Hintergrundbildern bis zu Klingeltönen. Konsequent nach Außen trugen den unübersehbaren Trend aber bislang nur wenige Smartphone-Hersteller. Die Zeit scheint dafür heute aber mehr als bereit.

Als Smartphone-Voyeur, der gerne anderen Leuten auf ihre Telefone schaut, bin ich immer wieder überrascht welcher Typ von Mensch ein iPhone besitzt. Teilweise passten die klassischen, eleganten und (zugegeben) unaufgeregten iPhone-Formen nicht zur Person. Das 5c ändert das. Das 5c steht einer großen Gruppe von Typen viel besser (zu Gesicht) als die bisherige Designlinie.

Die (fragwürdig ausgestanzten) Non-Hüllen, die Apple in sechs Farben ihren fünf iPhone-Rückseiten überzieht, überdrehen die Idee nach Individualisierung. Die Cases sind keinesfalls minderwertig, als 30 Euro teurer 'Vier gewinnt'-Mantel aber vor allem eine (legitime) Maschine zum Gelddrucken.

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Apropos Geld. Das 5c ist nicht das herbeigebrüllte Billig-Phone, obwohl die Theorie verlockend klang. Den Preiskampf überlässt Apple den Wiederverkäufern, die sich schon jetzt, wenige Woche nach dem Release, gegenseitig unterbieten und bei Vertragsabschluss das neue Apple Telefon kostenlos austeilen.

Ohne Subventionen rechnet zwar keiner, mit einem vertragslosen Preis ab 600 Euro ist jedoch klar: Das 5c grätscht nicht in den Android-Massenmarkt (in dem kein Hersteller signifikante Gewinne für seine Geräte einfährt). Auch Märkte wie Indien, die erheblich preissensibler aufgestellt sind, greift das 5c nicht an. Damit wettet Apple für das nächste Jahr weiter auf einen insgesamt wachsenden Smartphone-Markt sowie das Geschäft mit Vertragsverlängeren.

Natürlich handelt es sich nur eine sprichwörtliche Wette, die Apple hier austestet. Der direkte Apple-Store-Kundenkontakt verrät wie viele Erstbesitzer beim iPhone anklopfen, wie viele Kunden Verträge pflegen und welche Update-Zyklen sie einhalten. Wer glaubt, dass diese Datenbasis nicht der Produktionskapazität und der Mitbewerbersituation gegenübersteht, versteht nicht wie wichtig Apple die Qualität seiner Produkte ist.

Fazit

Das 5c ist 2012er-Technik in einem bunten Gehäuse. So sehen das Benchmark-Enthusiasten, eine nicht repräsentative Gruppe von Smartphone-Käufern für dieses Telefon. Eine vergleichbare Skepsis erntete der iPod Mini vor neun Jahren, der damals farbenfroh mit weniger Speicher und einem höheren Preis als sein Vorgänger antrat. Wie diese Geschichte ausging, ist bekannt.

Das 5c surft in gewisser Weise die iPod-Welle. Dieses Jahr sind es Farben fürs Telefon, 2014 vielleicht größere Displays oder etwas 'Kleines' fürs Handgelenk? Man muss nicht in Nano- und Shuffle-Analogien denken, sondern lediglich beobachten wohin sich die Nachfrage verschiebt. Zwischen den Revolutionen bedient Apple nämlich diesen Bedarf.

Das 5c ist nach sechs Jahren die erste Auskopplung in einer vormals streng gestalteten Produktlinie bei der auch die produktionstechnischen Vorteile auf der Hand liegen. Über die letzten Jahre zeigten die MacBooks und MacBook Pros wie Pro-Technologien 'nach unten' in die populäreren Consumer-Geräte durchsickerten. Nichts anderes ist für die zukünftigen iPhones zu erwarten.

Das 5c geht keine technische Kompromisse ein, es setzt andere Schwerpunkte. Damit weitet es seinen Blick, wirbt um neue Käufer und ist deshalb in diesem Jahr das wichtigere Apple-Telefon.


  1. Als Upgrades gegenüber dem iPhone 5 sind die vorderseitige FaceTime-Kamera sowie die zusätzlichen LTE-Bänder zu vermerken. Beide Komponenten dürfte Apple in den Dimensionen ihrer Abnahmemengen jedoch günstiger einkaufen, als die Bauteile aus dem vergangenen Jahre weiter zu produzieren.
  2. Vielleicht lässt sich so meine Zuneigung zum 5s-Case erklären.