Das iPhone SE (2022)

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Dieses iPhone hat etwas, das kein anderes iPhone mehr hat: einen Home-Button. Wer ihn will, hat beim iPhone-Neukauf nur diese eine Wahl.

Apple verkaufte das erste iPhone SE im Jahr 2016. Die zweite Version folgte im Jahr 2020 – vier Jahre später also. Die nun dritte Generation erreicht uns bereits nach nur zwei Jahren. Ich glaube, das ist ein Hinweis darauf, dass a) die Anhänger der Home-Button-Fraktion immer noch in Millionen-Größe existiert, aber auch b) die Nachfrage mittlerweile schrumpft.

Für Apple wird sich’s trotzdem lohnen; ihr interner Blick in die Numbers-Tabelle verrät das. Ansonsten hätte sich Apple die Ankündigung mit Pauken und Trompeten erspart. Vielleicht hätten sie das SE trotzdem aktualisiert; sie hätten aber nicht die volle PR-Kraft hinter dieses Modell geworfen.

Das SE ist kein Schnäppchen, wenn man es zum Festpreis (519 Euro / 64 GB) direkt im Apple Store kauft. Die meisten dieser Geräte schupsen jedoch die Mobilfunkanbieter über ihre Tresen. Sie flechten dabei den Preis der Hardware in den monatlichen Mobilfunktarif ein. Deshalb macht’s auch keinen Unterschied, dass das SE (3. Generation) im empfohlenen Verkaufspreis 40 Euro teurer ist als das SE (2. Generation) zu seiner Zeit. Man kann generell anzweifeln, ob Kunden und Kundinnen diesen Aufpreis zahlen (oder sogar viel mehr zahlen!), weil die monatliche Gebühr extrem vom Tarif und Anbieter abhängt.

Aber natürlich habe auch ich mich gefragt: „Ist das iPhone SE ein guter Deal?

Es zeigt sich: Das ist erstaunlich schwer zu beantworten, wenn die zwingenden Voraussetzungen a) die Hometaste und b) iOS sind.

Wenn sich Interessenten vom SE wirklich nicht vom vertrauten Home-Button verabschieden wollen – so wie es die gängige Theorie ist – wird man diesen Personen sicherlich auch nicht Android vorschlagen müssen. Die Hardware bleibt nämlich nur solange vertraut, wie es auch die Software ist.

Diese Kombination – Home-Button plus iOS – realisiert ausschließlich das iPhone SE. Es ist damit in einer verblüffend konkurrenzlosen Situation.

Und genau deshalb ist es guter Fanservice, dass Apple nicht erneut vier Jahre bis zur nächsten Hardware-Revision wartet. Auch diese Kundschaft hat Anspruch auf mehr Batterielaufzeit, besseres Displayglas, 5G und einen Prozessor, der (unter anderem) hübschere Bilder erzeugt.

Insbesondere die Prozessor- und Grafikleistung dürfte deutlich über den gängigen Anforderungen liegen. Das wird jedoch dazu führen, dass dieses Modell auch in vier, fünf oder sogar sechs Jahren noch OS- und Sicherheitsupdates bekommt. Der Beleg? Derzeit erhält noch Apples iPhone 6s das aktuelle Betriebssystem – sechseinhalb Jahre nach seinem Verkaufsstart.

Der A15-Prozessor hilft aber auch bei brandneuen Funktionen – von Live Text über Kamera-Features wie Deep Fusion, Smart HDR 4 und Video (nun bis 4K/60 + Zeitlupenvideos in 1080p mit 120fps).

Dabei ist es besonders lustig, dass Apples günstiges iPhone jedes andere Smartphone in den Schatten stellt – egal in welcher Preisklasse, egal von welchem Hersteller.

Und trotzdem sei explizit aufgeschrieben, was allen von euch Mitlesenden hier klar sein sollte: Das iPhone SE ist nicht für mich!

Neben einem bildschirmfüllenden OLED-Display und einem Kamerasystem mit mehr Objektiven, ist es allem voran die Wischgesten-Steuerung, die meine Fingermuskeln seit dem iPhone X (2017) trainieren. Ich bin hier genau gegenteilig konditioniert wie jemand, der weiterhin den Home-Button bevorzugt.

Aber wir sprechen hier nicht nur über Personen, die keine Änderungen wollen. Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität stellt das iPhone mit Home-Button eine echte Alltagshilfe darf.

Deshalb spart man sich auch die Preisvergleiche mit einem iPhone 11 oder einem (gebrauchten) iPhone 12 (mini). Sie sind mit technischem Blick der „bessere Deal“, aber nicht das, was diese Kundschaft möchte.

Die wichtige Frage lautet also: Hat sich Apple beim SE die notwendige Mühe gegeben?

Äußerlich gleich das neue SE dem SE der 2. Generation. Das geschulte Auge weiß um die neuen Farbtöne (Mitternacht + Polarstern) und erkennt, dass die CE-/Mülltonnen-Kennzeichnung auf der Rückseite fehlt.

Ich weiß nicht, wie sich Apple diesmal um die vorgeschriebenen Logo gedrückt hat. Im iPhone 13 findet sich die Auszeichnung weiterhin am Rahmen. Aber ich befürworte natürlich diese „Liebe zum Detail“ sehr.

Erst seit Dienstag liegt meine Simkarte im SE. Dauerhaft aktiviertes 5G zwingt den minimal verbesserten Akku trotzdem flott in die Knie. Hier hilft die Standardeinstellung „5G Auto“; eine Langzeitbeobachtung bleibt allerdings offen.

„Kabelloses Aufladen“ und „schnelles Aufladen“ (bis zu 50 % in 30 Minuten) funktionieren genau wie beim Vorgängermodell.

Der fehlende Nachtmodus ist bei der ansonsten soliden Kamera die größte Enttäuschung. Niemand hat HDR-Videoaufnahmen oder Apple ProRAW für Fotos erwartet; eine Bildverbesserung unter suboptimalen Lichtverhältnissen wäre jedoch wünschenswert gewesen.

Das iPhone SE (3. Generation) ist kein Budget-Smartphone. Es ist zwar Apples günstiges Modell, siedelt sich im Vergleich mit anderen Telefonen aber im mittleren Preissegment an. Allerdings spielt es gegenüber allen Mitbewerbern seinen Anschaffungspreis über die Lebenszeit wieder ein – egal ob man es für vier oder fünf Jahre selbst benutzt oder dank Preisstabilität und Hardware-Qualität zur Lebensmitte weiterverkauft / weitergibt.

Das SE ist optisch ein Oldtimer, den Apple intern zu einem modernen Elektroauto umgerüstet hat. Die dicken Bildschirmränder, der kompakte Formfaktor sowie die abgerundeten Ecken stehen im krassen Gegensatz zu allen anderen iPhones. Mit A15-Prozessor beschleunigt dieses Telefon jedoch wie seine großen Brüder und fühlt sich dabei gleichermaßen hochwertig an.

Für die meisten seiner Kunden und Kundinnen ist das damit mehr Telefon, als sie wahrscheinlich benötigen. Und trotzdem bekommen sie ein Smartphone, das nicht schon seit zwei Jahren in den Verkaufsregalen steht.

Und solange der tatsächliche Bedarf nach Hometaste und iOS besteht, ist es nur richtig und wichtig, dass Apple dieses Modell up-to-date hält.